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Harr/Tauschen oder Bezahlen

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Titel: Tauschen oder Bezahlen? Deutsche Tauschringe und das liebe Geld

Autor und Copyright: Harald Friz (Berlin), alle Rechte vorbehalten

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Es ist eines der größten Rätsel der deutschen Tauschringszene. Woher kommt dieses seltsame Verhältnis zum Geld? Warum wird so viel über Grundeinkommen, Startguthaben, Umlaufsicherung, Zinsen, Gutscheine, usw. diskutiert, wenn es doch eigentlich um Tauschen "ohne Geld" geht? Warum trägt ein viel zitiertes Buch den Titel "Tauschen statt Bezahlen"[1], wenn doch in der mit Tauschwährung bezahlt wird?

(…)

Meines Erachtens liegt der wesentliche Unterschied zwischen Tauschen und Bezahlen in der Geldfunktion des "Tauschmittel".

Zur Leistungsverrechnung in einer geschlossenen Gruppe ist diese Funktion nicht nötig. Hier dient die Verrechnungseinheit nur dazu, den zwischen den erbrachten Leistungen eine Zahl zuzordnen (Geldfunktion "Wertmaßstab"), damit diese miteinander verrechnet werden können. Deswegen heißen Verrechnungseinheiten auch Verrechnungseinheiten. :-) Sie sind die Maßeinheit, mit der Leistungen vergleichbar gemacht werden, so wie die Maßeinheit Meter Längen vergleichbar macht. Sie ist Recheneinheit für das gegenseitige Auf- und Gegenrechnen erbrachter und versprochener Leistungen.

Ich meine, dass sich daraus ein ganz einfaches Kriterium ableiten lässt, wann ein Tauschsystem ein Tauschring ist und wann ein Geldsystem: In einem Tauschring entspricht jede Kontobewegung auf den Mitgliederkonten einer von dem Mitglied tatsächlich erbrachten oder erhaltenen Leistung. Leistungen können nur dem Leistungsgeber gutgeschrieben werden, der diese Leistung tatsächlich erbracht hat. Leistungen können nur verbucht werden, wenn sich Leistungsgeber und Leistungsnehmer gemeinsam auf einen Wert geeinigt haben. Wenn ein Tauschsystem leistungsunabhängige Transaktionen von und zu Mitgliederkonten erlaubt, ist es kein Tauschring mehr, sondern ein Geldsystem.

Damit sind Tauschsysteme grundsätzlich keine Tauschringe, sondern Komplementärwährungen, wenn sie eines oder mehrere dieser Merkmale aufweisen:

  • Regelmäßiges Grundeinkommen oder einmalige Startguthaben. Sie werden ausdrücklich leistungsunabhänig ausgezahlt.
  • Mitgliedsbeiträge und Negativzinsen auf Guthaben, da sie weder dem Wert der tatsächlich erbrachten noch dem Wert der tatsächlich in Anspruch genommenen Leistungen entsprechen.
  • Bargeld oder bargeldartige Gutscheine, die "von Einem zum Andern wandern". Dieses Wandern definiert Tausch- und Zahlungsmittel. Es bedeutet, dass ein Leistungsgeber bereit ist, diesen Gutschein als Bezahlung anzunehmen.
  • Verrechnungen über ein Außenkonto, weil eine einvernehmliche Bewertung einer Leistung alle Teilnehmer des Tauschrings einbeziehen müsste, was praktisch kaum durchzuführen wäre. Außerdem widerspricht es der Grundideee des geschlossenen Wirtschaftssystems Tauschring, wenn über ein Außenkonto das Gemeinschaftsprinzip ausgehebelt werden soll.

Keine Einschränkung sehe ich zur Zeit hier:

  • Ob Zeit oder Euro den Wertmaßstab bilden. Wichtig ist nur, dass alle Mitglieder den gleichen Maßstab verwenden.
  • Eine Konvertierbarkeit müsste eigentlich bei eurobasierten Verrechnungseinheiten (Äquivalenz) in gewissen Grenzen sinnvoll sein. Es spricht wenig dagegen, dass sich jemand in den Tauschring "einkauft" oder seine "Schulden" in Tauschwährung mit Euro bezahlt, wenn die eingezahlten Euro dem Satzungszweck entsprechend verwendet werden. Auszahlung von Euro dürfte dagegen nicht sinnvoll sein. Die Buchung auf dem Mitgliederkonto würde dann den Eingang eines Geldbetrages als Leistung dokumentieren.

Zu diskutieren wäre noch:

  • Ob ein Mitglied zugunsten eines anderen auf Leistungen verzichten kann. Bei einem Zahlungsmittel wäre die Überweisung an sich die Spende. Da einer solche Buchung keine gleichwertige Leistung gegenüber steht, verstößt sie gegen das Prinzip der Leistungsdokumentation. Andererseits lässt sich praktisch kaum überprüfen, welche Leistung tatsächlich erbracht wurde, wenn sich zwei Mitglieder auf die Buchung von "5 Stunden Einkaufsbegleitung" einigen. Eine Regel, die nicht überprüft, geschweige denn durchgesetzt werden kann, erscheint mir sinnlos.
  • Wie mit Minuskonten ausgetretener Mitglieder zu verfahren ist. Ein Buchung zu Lasten von Gemeinschaftskonten erscheint mir problematisch, da ganz offensichtlich keine Leistung erbracht wird. Diese Buchung ist ja nur nötig, weil sich das ehemalige Mitglied weigert (oder nicht in der Lage ist) die versprochenen Leistungen zu erbringen. Mittlerweile neige ich dazu, solche Konten einfach stehen zu lassen. Damit wird auch die persönliche Verantwortung des ehemaligen Mitglieds für das offene Minus deutlich.

(…)

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