Harr/Tauschringe sind keine Tauschbörsen
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Autor: Harald Friz, Berlin
Es ist Donnerstag. Beim wöchentlichen Tauschcafé sitzen einige Mitglieder des Tauschrings zusammen, reden über ihre Interessen, vereinbaren Treffen und freuen sich über leckeren Kuchen. Ein Interessent betritt den Raum: "Ich möchte gerne Mitglied werden." Die typischen Fragen werden gestellt: "Wie hast du von uns gehört? Hast du schon Erfahrung mit Tauschringen? Was möchtest du anbieten? Was möchtest du von anderen Mitgliedern dafür eintauschen?" Der Neue ist irritiert. Was sollen diese ganzen Fragen? Er sagt: "Meine Wohnung quillt über. Ich möchte ein paar alte Sachen los werden."
Der Tauschring freut sich über Zuwachs und nimmt ihn auf. Das frischgebackene Mitglied bietet dann seinen Trödel an, wird sogar ein bisschen was los. Aber schnell merkt er, dass es hier nicht so läuft, wie gewünscht. Nach einem Jahr hat er seine Schallplatten immer noch im Keller und den verstaubten Anrufbeantworter will auch keiner haben. Für die Tauschringgemeinschaft oder nachbarschaftliche Hilfe in Alltagsdingen fehlt ihm die Zeit. Nach weiteren Monaten als Karteileiche tritt er frustriert aus.
Eigentlich suchte der Interessent keinen Tauschring, sondern eine offene Tauschbörse. Warum hat er sich aber an einen Tauschring gewandt - und warum wurde er aufgenommen? Weil hier etwas verwechselt wurde.
Verwechslung
Eine Tauschbörse ist vor allem ein offener Markt für Waren, wo sich potentielle Tauschpartner leicht finden können. Der eigentliche Tausch ist meist ein Naturaltausch. Sobald beide Tauschpartner ihre Waren ausgetauscht haben, ist der Tausch erledigt.
Tauschringe sind dagegen in sich geschlossene Wirtschaftssysteme mit einer ausgeklügelten internen Leistungsverrechnung. Hier sind "Tausch"geschäfte ein Mittelding zwischen Naturaltausch und Kaufen gegen Geld, das eine geschlossene solidarische Gemeinschaften erfordert. Deswegen eignen sich Tauschringe gut für die Verrechnung von Dienstleistungen im Rahmen der Nachbarschaftshilfe. Jedes "Tausch"geschäft stärkt den Zusammenhalt der Gemeinschaft.
Für gebrauchte Waren lohnen sich Tauschringe nicht. Als Marktplatz sind sie zu klein. Je spezieller der Trödel, umso unwahrscheinlicher ist es, bei ein paar Dutzend bis ein paar Hundert Mitgliedern geeignete Abnehmer zu finden.
Gebrauchtwarentausch ist deswegen auch für Tauschringe lästig. Die Tauschzeitung wird mit Anzeigen für unverkäuflichem Krams verstopft. Tauschringveranstaltungen entwickeln einen verwahrlosten, fast schon Messie-artigen Charakter. Es häuft sich Zeugs an, das vermeintlich "zu schade für den Müll" ist - und trotzdem keiner haben will.
Ich meine, dass Tauschringe gut daran tun, sich auf die Verrechnung von Dienstleistungen zu beschränken. Die Tauschzeitung sollte frei bleiben von Anzeigen für Trödel. Außerdem sollten Tauschringe nicht den bürokratischen Aufwand für Mitgliederverwaltung und Tauschverrechnung unterschätzen.
Geeignetere Märkte für Waren
Manche Tauschringe haben gute Erfahrungen mit der Veranstaltung von Trödelmärkten gemacht, die auch für Nichtmitglieder offen sind. Waren können verschenkt, verkauft und gegen andere Waren eingetauscht werden. Diese Märkte helfen auch bei der Öffentlichkeitsarbeit für den Tauschring, weil der Unterschied zwischen Tauschring und Tauschbörse anschaulich erfahrbar wird. Wer nur bisschen Trödel vertickern will, braucht kein Mitglied zu werden und kann trotzdem vom Tauschring profitieren. Wer aber auf den Geschmack gekommen ist und mehr will, tritt dem Tauschring aus Überzeugung bei.
Denn die Mitglieder eines Tauschringes können sich gegenseitig dabei unterstützen, ihren Krams loszuwerden. Der eine hilft, wertvolle von wertlosen Dinge zu unterscheiden. Der andere fährt den Müll zum örtlichen Entsorger. Der dritte hilft beim Verschenken der Dinge, die zu schade für den Müll sind. Noch andere helfen, wertvolle Dinge gewinnbringend einzutauschen oder zu verkaufen. Für die Verrechnung solcher nachbarschaftlicher Hilfe gibt es kaum eine Alternative zu Tauschringen.
Für den Gebrauchwarenhandel gibt es dagegen zahllose Alternativen vor Ort und im Internet, über die Tauschringe ihre Mitglieder und Interessenten informieren könnten:
- Tausch-, Trödel- und Flohmärkte
- Umsonstläden
- Second-Hand-Läden
- Kleinanzeigen
- eBay usw.
- Soziale Unternehmungen wie Oxfam
- Altkleidercontainer
- Fachhändler und Antiquariate für wertvolle Einzelstücke
- Entsorgungsunternehmen für den wertlosen Müll
Ich meine, dass sich Tauschringe auf ihre Stärke konzentrieren sollten: den persönlichen Kontakt zwischen ihren Mitgliedern und die Verrechnung von Nachbarschaftshilfe. Als Tauschbörsen für gebrauchte Waren taugen sie nicht.