Schenkökonomie

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Plakat "Umsonstflohmarkt" in Berlin

Schenkökonmie ist ein soziales System, in dem Güter und Dienstleistungen ohne direkt erkennbare Gegenleistung weitergegeben werden. Dagegen werden in einem Tauschring alle Waren und Dienstleistungen so bewertet und verrechnet, dass ein verbindlicher Ausgleich von Geben und Nehmen möglich ist.

Alltag

Schenken und Schenkökonomie gehören zum Alltag. Im deutschen Rechtssystem finden sich zahlreiche Regelungen. Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz[1] behandelt etwa "Schenkungen". Das Schwarzarbeitsgesetz kennt etwa "Nachbarschaftshilfe" und "Gefälligkeiten".[2] Bürgerschaftliches Engagement und Spenden für gemeinützige Zwecke erwarten ebenfalls keine Gegenleistungen.

Schenkökonomische Modelle

Bei einfachen schenkökonomischen Modellen wie Umsonstläden oder Gib- und Nimm-Häusern gibt und nimmt man ohne jeglichen Anspruch auf Ausgleich.

  • Umsonstladen: "Die Umsonstläden sind keine Tauschläden. Es muss weder bezahlt, noch müssen Dinge direkt getauscht werden. Bringen und Holen, Geben und Nehmen sind hier entkoppelt, man kann nur Geben, man kann nur Nehmen, oder beides tun. Die Dinge sind hier alle Gebrauchsgegenstände, sie haben bei uns keinen Tauschwert, keinen Preis."[3]
  • Warentauschtage: "Sie können alles bringen, ohne etwas mitzunehmen, und Sie können alles mitnehmen ohne etwas gebracht zu haben."[4]
  • Gib- und Nimm-Haus: "Die BesucherInnen erklären sich bereit, für Kost und Logis ein bis zwei Stunden täglich etwas für die HausbesitzerInnen zu tun … Keineswegs soll es hier um kleinliche Abrechnerei gehen sondern um ein großzügiges Miteinander."[5]
  • Gastfreundschaftsnetzwerk Couchsurfing: "Hosts should never charge their CouchSurfers … Most CouchSurfers do like to thank their host with a small gift or an act of kindness (such as cleaning the house or cooking a meal), but this is not required and should not be requested by a host -- the only thing that's expected is an inspiring experience!"[6]
  • Geschenke weiterschenken ("regifting"): "Regift: To give an unwanted gift to someone else; to give as a gift something one previously received as a gift."[7]
  • Der "Social Muscle Club" in den Berliner Sophiensälen ist eine Veranstaltung, die ein Forum des Austauschs von allen für alle bietet. Er ist inspiriert von einem Sheffielder Arbeiterclub, der 1938 von 25 Freunden mit dem Ziel der „Unterhaltung und gegenseitigen sozialen Hilfe“ gegründet wurde. 1964 war der Club auf 3.500 Mitglieder angewachsen, es wurde zusammen gespielt, getrunken und getanzt; und wenn ein Clubmitglied in Schwierigkeiten geriet oder krank wurde und nicht arbeiten konnte, sprang der Club ein und half dieser Person.[8][9]

Manche Schenker vertrauen (oder hoffen) vielleicht auf einen Ausgleich auf höherer Ebene (karmisches Prinzip). Manche vertrauen (oder hoffen) auf langfristige Reziprozität durch kulturelle Normen. Manche schenken einfach so.

Dokumentation

Daneben gibt es auch schenkökonomische Ansätze, die Geben und Nehmen nicht verrechnen, aber zumindest (halb)öffentlich dokumentieren. Dazu gehören etwa neuere Internetangebote, die soziale Netzwerke nutzen, um Geschenke zu vermitteln, wie die "zu verschenken"-Gruppen auf Facebook[10] oder spezialisierte Netzwerke wie frentz.com[11]

Anerkennung und Dank

Es gibt auch neuere soziale Netzwerke für den Ausdruck von Anerkennung und Dank. Auch hier werden Leistungen ohne Erwartung einer Gegenleistung erbracht. Diese Punktesystem dokumentieren aber nicht die erbrachte Leistung, sondern persönliche Wertschätzung des Gebers durch den Nehmer.

  • "Dankpunkte" bei Joytopia: "Jeder Teilnehmer bekommt von der Gemeinschaft monatlich 100 Dankpunkte auf seinem Dank-Konto gutgeschrieben … Mit diesen Dankpunkten kann er Geschenke bedanken …"[12]
  • Twollars[13]

Manche Geldexperimente mit unbegrenzter Geldschöpfung bewerben ihre ungedeckte Währung mit der Möglichkeit Dank auszudrücken.[14]

Vordenker

Oft zitiert im Zusammenhang mit Schenkökonomie wird das 1923 veröffentliche Essay "Die Gabe" von Marcel Mauss.[15]

Im Umfeld der deutschen Tauschringe haben die Vorträge und Veröffentlichungen von Heidemarie Schwermer[16] über ein Leben ohne Geld eine gewisse Bedeutung erlangt.

Diskussion

Es ist noch zu klären, inwiefern manche selbstbezeichnete "Tauschringe" tatsächlich Tausch-Systeme sind, oder ob sie nicht vielmehr eine Form der Schenkökonomie praktizieren. Tauschbelege, Kontobewegungen und -stände hätten in diesem Falle nicht mehr den Charakter eines Leistungsversprechen ("moralische Verpflichtung"), sondern sind nur noch Leistungsbelege.

Leistungen würden nicht mehr verrechnet, sondern nur noch dokumentiert. Die Überschuldung des Verwaltungskontos wäre keine Problem mehr, da sie keine Verbindlichkeiten der Mitglieder gegenüber der Gemeinschaft impliziert, sondern nur noch die unausgeglichenen Leistungsverhältnisse in der Gemeinschaft widerspiegelt. Ein "Tauschring" in diesem Sinne könnte aus dem gleichen Grund auf Limits verzichten.

Es wäre auch zu klären, ob solche "unverbindlichen Tauschringe" nicht sogar der Regelfall in der deutschen Tauschring-Landschaft sind, und wie diese von "verbindlichen Tauschringen" begrifflich und inhaltlich zu unterscheiden sind. Beispiele:

  • Die Zeit-Tausch-Börse Herrenberg verzichtet in ihren Tauschregeln auf einen Kontoausgleich bei Austritt.[17]
  • Beim Nachbarschaftshilfering Templin Uckermark erhalten beide Tauschpartner Punkte. Die Helfenden erhalten "Hilfe-Punkte". Die Auftraggeber erhalten "Förder-Punkte", weil sie die Helfenden darin fördern, ihre Fähigkeiten zu erhalten oder auszubauen. Beide Punkte sind gleich viel wert. Die Punkte werden so auf den Konten der Mitglieder verbucht, dass sich Förder- und Hilfepunkte wegkürzen. Konten mit Förderpunkten werden nicht als offenes Leistungsversprechen interpretiert, sondern als Aufforderung an die anderen Mitglieder, sich um das Mitglied zu "kümmern", damit es den Punkteüberhang wieder ausgleichen kann.[18]

Siehe auch

Weblinks

Einzelbelege