Verrechnungseinheit

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Mit Verrechnungseinheiten (kurz VE) wird der Tausch von Dienstleistungen und Waren in einem Tauschsystem verrechnet. Wert, Stückelung und Bezeichnung der Verrechnungseinheiten legt der jeweilige Tauschring selbst fest.

Mit Hilfe der Verrechnungseinheiten führt die Verrechnungsstelle für die einzelnen Mitglieder Verrechnungskonten und gegebenenfalls für den gesamten Tauschring Gemeinschaftskonten. Es ist umstritten, ob Verrechnungseinheiten "Geld" sind.

Bezeichnungen

Eine klug gewählte Bezeichnung erleichtert die Öffentlichkeitsarbeit des Tauschrings, sowie eine Identifikation der einzelnen Mitglieder mit den Zielen und Tauschregeln ihres Tauschrings.

Im deutschprachigen Raum ist die Bezeichnung "Talente" sehr verbreitet. Sie soll betonen, dass jedes Mitglied Talente hat, die es gleichwertig gegen die Talente anderer Mitglieder tauschen kann. Bei reinen Zeittauschringen ist auch die Bezeichnung "Stunde" anzutreffen. Sie betont, dass Arbeitszeit gegen Arbeitszeit getauscht wird.

Ein regionaler Bezug bei der Bezeichnung ist vor allem bei Regionalgeld üblich, wie Chiemgauer, Urstromtaler, Havelblüten, Elbtaler. Aber auch Tauschringe spielen mit ihrem Ortsnamen, wie wie etwa "Kreuzer" beim Kreuzberger Tauschring.

Manche Tauschringe verwenden veraltete Währungsbezeichnungen oder Wortspiele, die Wert und Reichtum suggerieren, wie "Batzen", "Klunker", "Taler". Manche versuchen es mit Humor, wie "Motten" oder "Kröten".

Siehe auch: Liste der Verrechnungseinheiten

Wert I - Wertmaßstab Zeit oder Euro

Der Wert der Verrechnungseinheit (Wert im Sinne von Maßeinheit) richtet sich nach dem Modell des Tauschsystems.

Bei Komplementärwährungen wie dem klassischen LETS oder Regiogeld ist er an die Landeswährung gebunden, um den Umgang mit Finanzamt und Gewerbetreibenden zu erleichtern. Da die Preise innerhalb des Tauschrings nach anderen Kriterien verhandelt werden, als in der konventionellen Wirtschaft, sagt der Wert der Tauschwährung nichts über die Preise aus. Wenn der marktübliche Preis für 1 Stunde Putzen in einer Gegend 10 Euro beträgt, könnte der Preis für die gleiche Arbeit in der gleichen Gegend im Tauschring trotzdem nur 5 oder gar 25 VE betragen.

Bei Zeittauschringen dient Arbeitszeit als Maßstab. Eine bestimmte Zahl von Verrechnungseinheiten entsprechen dann einer Stunde Arbeitszeit. Der Preis für eine Stunde Dienstleistung ist in manchen Tauschringen verhandelbar, in manchen nicht.

Siehe auch Grundsatzdiskussion "Zeit oder Euro?"

Wert II

Der Wert der Verrechnungseinheit (Wert im Sinne der Tauglichkeit als Tausch- und Aufbewahrungsmittel) hängt von der Deckung der Verrechnungseinheiten ab.

Bei einer übermäßigen Geldschöpfung (etwa durch Überschuldung des Verwaltungskontos) verringert sich die Bereitschaft der Mitglieder, im Tausch gegen VE Leistungen zu erbringen. Der Wert der VE in diesem Sinne spiegelt das Vertrauen der Mitglieder in den Tauschring wider.

Wert III

Der Wert der Verrechnungseinheit (Wert im Sinne von Wertpapier oder Wertgegenstand) ist immer Null.

Es gibt keine Institution, die Verrechnungseinheiten im Tausch für eine Ware oder Dienstleistung annehmen muss. Es besteht zwar eine gewisse moralische Verpflichtung für Mitglieder mit Minuskonten (Schulden), ihre versprochenen Leistungen tatsächlich zu erbringen und über VE zu verrechnen. Aber es besteht für Mitglieder mit Pluskonten (Guthaben) kein Anspruch auf Gegenleistung. Die VE spiegeln nur wider, dass diese Mitglieder Vorleistungen erbracht haben.

Außerdem verbieten einige Tauschringe in ihren Tauschregeln ausdrücklich[1], Verrechnungseinheiten wie Waren (engl. commodity) zu verschenken, verleihen oder verkaufen.

Wert IV

Der Wert der Verrechnungseinheit hat nichts mit "Wertschöpfung" zu tun. Wirtschaftliche Werte werden durch Arbeit geschaffen, egal in welcher Einheit man sie bemisst.

Sind Verrechnungseinheiten "Geld"?

In der Tauschringszene wird das Verhältnis von Tauschringen zu "Geld" heftig diskutiert. Manche betonen, dass im Tauschring "ohne Geld" getauscht wird. Andere betonen, dass es sich um "selbstgemachtes Geld" oder eine "eigene Währung" handele.

Den Zahlen und Konten kann man nicht ansehen, ob sie als Geld oder als Leistungsverrechnung interpretiert werden. Aber die Sichtweise beeinflusst das Verhältnis der Mitglieder zum Tauschring und untereinander.

Bei der Interpretation als Geld stehen die Geldfunktionen[2] und Begriffe aus der Volkswirtschaftslehre[3] im Vordergrund:

  • Tausch- und Zahlungsmittelfunktion: ein Tausch ist mit der Bezahlung abgeschlossen. Begriffe wie "bezahlen", "kaufen", "überweisen", "buchen", "Konvertierbarkeit", "Wert" (vgl. oben "Wert II")
  • Aufbewahrungsfunktion: "Guthaben", "Geldmenge", "Geldschöpfung", "Deckung", "Inflation", "Umlauf", "Umlaufsicherung", "VE verleihen", "VE verschenken"

Bei der Interpretation als Einheit zur Verrechnung von Waren und Dienstleistungen, steht dagegen die Wertschöpfung der einzelnen Mitglieder im Vordergrund:

  • Ein Tauschgeschäft ist erst abgeschlossen, wenn andere Mitglieder durch gleichwertige Waren und Dienstleistungen (vgl. oben "Wert IV") den Tauschkreis schließen.
  • "Moralische Verpflichtung" der einzelnen Mitglieder, diesen Tauschkreis zu schließen.
  • Da nicht gegen Verrechnungseinheiten getauscht wird, haben diesen keinen Wert an sich (vgl. oben "Wert III").

Beiden Sichtweisen gemeinsam ist die Funktion der Verrechnungseinheiten als Wertmaßstab und Recheneinheit (vgl. oben "Wert I").

  • Der Wert (vgl. oben "Wert IV") jeder Ware oder Dienstleistung kann in Verrechnungseinheiten gemessen werden. Eine Stunde Hilfe bei der Fahrradreparatur mag dann 60 VE wert sein (vgl. oben "Wert I"), ein selbstgebackener Marmorkuchen ebenfalls.
  • Es wird möglich, Tauschgeschäfte mit der Gemeinschaft zu verrechnen, etwa um mit Mitgliedsbeiträgen die Arbeit der Orga zu vergüten oder die Folgen von Austritten für die Leistungsausgleich im Tauschring zu ermitteln.

Siehe auch

Einzelnachweise